Veröffentlicht von den Radical Life Studios / MTB Report
Am 20. Dezember 2025 ruft die Mountainbike-Community im Raum Hannover zu einer Fahrrad-Demonstration auf. Anlass ist die unklare Zukunft der offiziell genehmigten Mountainbike-Trails im Deister. Was auf den ersten Blick wie ein regionales Problem wirkt, steht exemplarisch für ein strukturelles Dilemma, das Mountainbiker in ganz Deutschland kennen.
Denn hier geht es nicht nur um ein paar Trails im Wald.
Es geht um Mitsprache, Verhältnismäßigkeit – und die Frage, wie ernst eine wachsende Sport- und Freizeitkultur politisch genommen wird.
Worum geht es konkret?
Seit 2012 betreibt der Verein Deisterfreunde e. V. legale Mountainbike-Trails im Deister. Die Strecken entstanden nicht heimlich, sondern auf Basis von Sondergenehmigungen, in enger Abstimmung mit Behörden, Forst und Kommunen. Über Jahre wurde gebaut, gepflegt, gelenkt und kontrolliert – ein Modellprojekt für kooperativen Trailbau.
Diese Genehmigungen laufen Ende 2025 aus.
Eine Verlängerung steht bislang nicht fest.
Ohne Übergangslösung würden die Trails ab 2026 wieder illegal, im schlimmsten Fall müssten sie sogar zurückgebaut werden – obwohl parallel über neue MTB-Konzepte gesprochen wird. Genau diese Unsicherheit ist der Kern des Konflikts.
Die Demo am 20.12. in Hannover (Trammplatz) fordert deshalb keine Revolution, sondern etwas sehr Bodenständiges:
Planungssicherheit, Dialog und eine realistische Übergangslösung.
Naturschutz – ehrliches Argument oder politischer Joker?
Offiziell wird die Zurückhaltung der Behörden mit dem Verweis auf Naturschutz und Landschaftsschutzgebiete begründet. Grundsätzlich ein legitimer Punkt – der Schutz sensibler Räume ist wichtig und notwendig.
Doch genau hier beginnt die Kritik, die weit über den Deister hinausgeht.
Denn in Deutschland zeigt sich seit Jahren ein widersprüchliches Bild:
Wenn Wohnraum, Gewerbegebiete oder Verkehrsinfrastruktur gebraucht werden, werden Schutzgebietsgrenzen neu gezogen, Ausnahmen geschaffen oder Bewertungen angepasst. Zahlreiche Beispiele aus Ballungsräumen zeigen, dass Naturschutz kein statisches, sondern ein politisch verhandelbares Instrument ist.
Beim Mountainbiken hingegen wird häufig der Eindruck erweckt, als sei jede Form von Nutzung automatisch unvereinbar mit Schutzinteressen – selbst dann, wenn die Nutzung gelenkt, begrenzt und überwacht erfolgt.
Das wirft eine unbequeme Frage auf:
Geht es hier wirklich um Umwelt- und Naturschutz – oder um fehlenden politischen Willen?
Eine Minderheit ohne Stimme?
Ein weiterer Punkt trifft einen wunden Nerv der Szene.
Mountainbiker sind vielerorts keine laut organisierte, klassische Wählergruppe. Sie haben keine starke Lobby, keine Parteizugehörigkeit, keine fest verankerten Interessenvertretungen in Kommunalparlamenten.
Genau das scheint sich auszuwirken.
In vielen Städten und Gemeinden entsteht der Eindruck, dass Entscheidungen weniger nach Sachlage, sondern nach politischer Relevanz getroffen werden. Gruppen, die als „nicht wahlentscheidend“ gelten, haben es schwerer, gehört zu werden – selbst dann, wenn sie konstruktive Lösungen anbieten.
Diese Logik ist kurzsichtig.
Mountainbiken ist längst kein Randphänomen mehr. Es verbindet Sport, Gesundheit, Tourismus, Jugendkultur und Ehrenamt. Vereine wie die Deisterfreunde zeigen, dass Verantwortung übernommen wird – für Trails, für Natur und für Miteinander.
Wer diese Community ignoriert, unterschätzt ihre gesellschaftliche Bedeutung.
Warum der Deister ein Präzedenzfall ist
Der Konflikt im Deister ist kein Einzelfall.
Er steht stellvertretend für viele Regionen, in denen legale Trailprojekte auf Zeit geduldet, aber nicht langfristig abgesichert werden. Immer wieder entsteht das gleiche Muster:
Engagierte Ehrenamtliche schaffen Angebote →
die Nutzung funktioniert →
die Szene wächst →
rechtliche Unsicherheit kehrt zurück.
Genau deshalb ist die Demo am 20.12. so wichtig. Nicht als Protest gegen Naturschutz, sondern als Signal für Dialog, Fairness und moderne Freizeitpolitik.
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