Teleskopstützen haben das Mountainbiken revolutioniert. Doch in diesem Innovationsfeld prallen zwei Prinzipien aufeinander — Gewichtsreduktion versus Funktionalität im Trailalltag. Die neue Vertical Helium Race Dropper-Stütze (offiziell: Helium Race) ist aktuell das prominenteste Beispiel dafür: unglaublich leicht, aber mit deutlichen Einschränkungen. In diesem Artikel nimm ich sie unter die Lupe – und setze am Ende den entscheidenden Maßstab: Was nutzt das Leichteste, wenn die Freiheit auf dem Trail leidet?


Technische Daten & Herstellerclaims

Zuerst die Fakten:

MerkmalFakten
Gewicht263 g für 320 × 60 mm (Ø 30,9) Version; bis ca. 325 g für 410 × 120 mm Version
Durchmesser30,9 mm und 31,6 mm
Hub / Verstellwege (Stroke / Drop)60 mm, 90 mm, 120 mm
Verfügbare Gesamtlängen / KombinationenKombinationen wie 320 × 60, 350 × 60, 350 × 90, 380 × 120 etc.
Zwei Sperrpositionen (oben/unten)„two-position dropper post (extended or dropped)“
Unverriegeltes, glattes Gleitrohr / Independent Locking Cartridge (ILC)Die rillenfreie „innere Gleitrohr“-Technik mit separater Verriegelungskartusche
Klemmsystem / „Carbolink“Neue carbon-verstärkte Klemmteile, Einsparung ~14 g ggü. Aluminiumversion
Preis & Verfügbarkeitab 440,00 €
Remote separatRemote wird nicht mitgeliefert

Diese Angaben sind in der Fachpresse relativ konsistent und mit Quellen belegbar. Allerdings sind sie größtenteils Hersteller- oder Presseangaben – keine unabhängigen Labormessungen. Die Gewichtswerte sind sehr ambitioniert, und in der Realität könnten sie je nach Verarbeitungsvarianz etwas abweichen.


Stärken und Besonderheiten – was hebt die Helium Race hervor?

  1. Rekordverdächtige Gewichtsposition
    Die 263-Gramm-Version ist laut Presse derzeit die leichteste Dropper-Stütze, die in Serienform gehandelt wird. Jede Einsparung zählt im High-End-Rennbereich.
  2. Optimierte Carbon-/Konstruktionsvariation
    Vertical verwendet angepasste Laminatschichten, um je nach Länge und Hub Wandstärken zu optimieren. Bereiche, die geklemmt werden, sind mit 90°-Verstärkungen ausgelegt.
  3. Rillenfreie Gleitrohrkonstruktion mit separater Verriegelung
    Die Verriegelung erfolgt nicht über Kerben im Gleitrohr, sondern über eine separate „Independent Locking Cartridge“. Das erlaubt dünnere Rohre und damit geringeres Gewicht.
  4. Carbon-inspirierte Klemmtechnik („Carbolink“) zur Gewichtsersparnis
    Statt massiver Aluminiumklammern werden carbonverstärkte Streifen genutzt, um Gewicht zu sparen. Laut Hersteller eine Einsparung von ca. 14 g gegenüber klassischer Klemmung.
  5. Feinschliff am Klemmbereich (abrasives Finish)
    Der Klemmbereich bekommt eine raue Oberfläche, um bessere Haftung bei geringerem Klemmdrehmoment zu ermöglichen – Rutschgefahr soll minimiert werden.

Limitationen & Risiken – der Preis der Leichtbau-Innovation

  1. Nur zwei Positionen – kein stufenloses Einstellen
    Die Helium Race erlaubt laut Hersteller und Presse nur zwei definierte Höhen (ganz oben / ganz unten). Das ist ein bewusster Designkompromiss, aber ein klarer Nachteil im Trailbetrieb.
  2. Eingeschränkter Einsatzbereich
    Wegen Hubbegrenzung (max. 120 mm) ist sie für reinen Downhill oder All-Mountain-Bikes nur bedingt geeignet. Auch die fehlende 27,2-mm-Version schließt manche Rahmen (z. B. leichte Hardtails / Gravel) aus.
  3. Extrem dünne Wandstärken & Materialspannung
    Leichtbau erfordert geringe Wanddicken – das erhöht Empfindlichkeiten gegenüber Belastungsspitzen, Kerbspannungen oder Materialermüdung. Die Belastung im Gelände ist ungleich höher als Labortests. (Dies ist eine technische Einschätzung, nicht direkt belegt.)
  4. Teuer und mit Zusatzkosten (Remote separat)
    Der Preis von ~440 € allein für die Stütze ist hoch. Außerdem muss der Remote extra beschafft werden.
  5. Praxiseingeschränkter Bedienkomfort
    In kniffligen Trailsituationen ist das Feintuning der Sattelhöhe oft entscheidend. Nur zwei feste Höhen können teils zu Kompromissen im Flow führen.
  6. Vertrauensfrage / Langzeitdaten fehlen
    Neue Produkte in dieser Gewichtsklasse haben wenig Erfahrung im Langzeitgebrauch, insbesondere bei Belastung durch Schlamm, Feuchtigkeit, Schläge etc. Ob die Konstruktion dauerhaft zuverlässig bleibt, ist noch unklar.

Gewicht vs. Freiheit – Das Dilemma im Trail

Die Innovation der Helium Race bringt uns in eine philosophische Grenze: Wie weit lässt man das Streben nach Masseinsparung gehen, bevor man die Freiheit des Fahrens beschränkt?

  • Für Racer & Minimalisten: Wenn du dein Bike unter eine bestimmte Gewichtsmarke bringen willst (z. B. < 10 kg), kann jede Grammersparnis entscheidend sein. Die Helium Race ist hier eine Waffe – solange du weißt, worauf du verzichtest.
  • Für Trail-/All-Mountain-Fahrer: In anspruchsvollem Gelände willst du Flexibilität, Feintuning und Kontrolle haben. Die stufenlose Einstellung ermöglicht dir, dynamisch auf Boden, Tempo und Kurven zu reagieren – etwas, das eine 2-Positionslösung nicht leisten kann. Bei schweren Abfahrten willst du nicht mit einem kompromittierten Setup kämpfen.

Aus unserer Sicht ist der radikale Blick: Gewicht ist wichtig, aber Freiheit des Fahrens ist höherwertig. Wenn du durch jede Kurve spürst, dass dir 20 mm Anpassung fehlen – und das passiert durchaus – dann war der Grammeffekt ein fauler Tausch.


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